Herbstprognose

Osteuropa wächst heuer um 5,4% - ANHANG

Wien (ots) -

Prognose für 2021 um 1,2% angehoben; 3,7% Wachstum 2022, Österreich profitiert; Herausforderung Inflation temporär, Wachstumstreiber EU-Wiederaufbaufonds

Das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) erwartet für die 23 Länder Zentral-, Ost- und Südosteuropas (https://wiiw.ac.at/countries.html) (CESEE) heuer ein Wachstum von 5,4%. Das ist eine kräftige Anhebung der Prognose um 1,2 Prozentpunkte gegenüber dem Sommer. Spitzenreiter sind die Türkei (9,1%), Montenegro (8,4%) und die Republik Moldau, die beiden letzteren aber von einem sehr niedrigen Niveau aus. Damit dürfte die CESEE-Region 2021 deutlich stärker als die Eurozone (4,8%) wachsen. Im Durchschnitt wurde im zweiten Quartal bereits wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht.

„Als einer der größten Investoren in der Region profitiert davon natürlich auch Österreich, das mit vielen Unternehmen prominent vertreten ist“, sagt Vasily Astrov, Senior Economist am wiiw und Hauptautor der Herbstprognose.

Haupttreiber des Wachstums in Osteuropa ist und bleibt der private Konsum. Mit durchschnittlich 14,5% expandierte er im zweiten Quartal massiv. Auch die Investitionen zogen in diesem Zeitraum im Schnitt um fast 18% an. Ein guter Teil davon entfiel allerdings auf Großprojekte in Estland, z.B. im Bereich Biotechnologie und Covid-19-Impfstoffproduktion.

Auch die Exporte erholen sich markant als Folge des globalen Aufschwungs und der Erholung im Tourismus. Trotzdem leidet auch die Industrie in der Region wie in Westeuropa unter Materialknappheit, z. B. dem Halbleitermangel in der Autoindustrie.

Die Beschäftigung nähert sich in vielen Ländern wieder dem Vorkrisenniveau. In Kroatien, Lettland, Ungarn, Polen und Slowenien ist dieses bereits wieder erreicht oder überschritten. Die Corona-Krise hat dennoch Spuren hinterlassen: Die Unterbeschäftigung ist heute höher als vor der Pandemie. Auch die Arbeitslosigkeit bleibt in vielen Ländern, insbesondere am westlichen Balkan, ein Problem. Gleichzeitig herrscht in den Sektoren, die im Zuge der Krise expandiert haben, ein Mangel an Arbeitskräften. Das ist nicht nur in den EU-Mitgliedern der Fall, sondern auch in Montenegro, Serbien und Russland.

Die anziehende Inflation macht sich auch in Osteuropa bemerkbar. Derzeit liegen die Inflationsraten in den meisten Ländern der Region um 3% bis 4% höher als zu Beginn des Jahres. Dort, wo der Euro verwendet wird, ist der Inflationsdruck im Allgemeinen geringer. Angesicht der steigenden Inflation haben viele Notenbanken bereits mit Zinserhöhungen reagiert. Weitere Zinsschritte dürften folgen.

„Das Anziehen der Zinsschraube sollte auch die vielerorts überhitzten und primär kreditfinanzierten Immobilienmärkte, die teilweise Anzeichen von Blasenbildung zeigen, abkühlen“, meint Astrov. Haupttreiber der Immobilienhausse in der Region war bisher die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). „Vorerst wird sie wohl ultraexpansiv bleiben“, so Astrov. In Tschechien und Litauen verteuerten sich Immobilien seit Jahresbeginn 2020 etwa um 16% respektive 15%, Tendenz weiter steigend.

Der wirtschaftliche Ausblick fällt durchwegs positiv aus, auch wenn sich der Aufschwung in Zentral-, Ost- und Südosteuropa in den Jahren 2022 (3,7%) und 2023 (3,5%) abschwächen dürfte. Der gegenwärtige Boom in der Türkei sollte abflauen. Am stärksten werden im nächsten Jahr Kroatien (5%), Polen (4,9%) sowie Montenegro und Kosovo (4,8%) wachsen. Nach einem Plus von 4% im heurigen Jahr wird auch Russland als größte Volkswirtschaft der Region 2022 (3%) und 2023 (2,8%) langsamer expandieren.

Zu den größten Risiken für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zählen ein neuerliches Aufflammen von Covid-19 sowie eine überhastete Budgetkonsolidierung. Naturgemäß sind in der Krise die Budgetdefizite in der Region massiv gewachsen (auf durchschnittlich 6,3% des BIP 2020 und geschätzte 4,5% im heurigen Jahr). Eine übereilte Reduktion der Staatsausgaben könnte den Aufschwung in vielen Ländern gefährden, vor allem am Westbalkan und in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Auch die Drosselung der Geldpolitik in den USA könnte die Erholung dämpfen.

Für zusätzliche Dynamik in den östlichen Mitgliedsländern wird der EU-Corona-Wiederaufbaufonds (Resilience and Recovery Facility) sorgen. In Rumänien beispielsweise könnten die Mittel in Höhe von insgesamt rund 29 Milliarden Euro bis 2026 theoretisch ein zusätzliches jährliches Wachstum von bis zu 3,1 Prozentpunkten generieren. Im weitaus entwickelteren Tschechien könnten sie die Wirtschaft immer noch mit bis zu 0,7 Prozentpunkten des BIP pro Jahr ankurbeln. „Der konjunkturelle Effekt des Wiederaufbaufonds wird in der Praxis aber deutlich darunter liegen. Einerseits, weil die Volkswirtschaften der Region die Mittel gar nicht vollständig absorbieren können, und andererseits, weil die EU-Gelder teilweise lediglich die Finanzierung von Investitionsprojekten aus den nationalen Budgets ersetzen werden“, so Astrov.

Österreich profitiert vom starken Aufschwung in Osteuropa

In zwölf osteuropäischen Ländern gehört Österreich zu den fünf größten Investoren, in vier weiteren zu den Top 10. Österreichs Auslandsinvestitionen liegen vor allem in den Visegrád-Staaten und in Rumänien. So liegt der Anteil der österreichischen Direktinvestitionen in Tschechien (10,6%), der Slowakei (13,1%), Ungarn (11,4%) und Rumänien (12,6%) im zweistelligen Bereich. Der starke Aufschwung in der Region wird sich sehr positiv auf die Gewinne der dort tätigen österreichischen Unternehmen und Banken auswirken. Nach einer schweren Rezession werden diese Länder heuer mit 3,4% (Tschechien) bis 6,8% (Rumänien) wachsen. Auch osteuropäische Touristen strömen wieder verstärkt nach Österreich.

Die Herbstprognose 2021 mit den Länderindikatoren 2019-2023 zum Download (https://wiiw.ac.at/german-pnd-102.pdf).

Pressekontakt:



Andreas Knapp
Communications Manager
Tel. +43 680 13 42 785
knapp@wiiw.ac.at


Original-Content von: Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), übermittelt durch news aktuell

Artikel teilen