Nach Urteil des Bundesverfassungsgerichts

Menschenrechtsinstitut befürchtet Ausweitung von Zwangsbehandlungen

Berlin (ots) -

Anlässlich der heutigen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, medizinische Zwangsbehandlungen in Einzelfällen auch außerhalb von Krankenhäusern zu gestatten (Verfahren 1 BvL 1/24), erklärt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte:

"Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner heutigen Entscheidung die Möglichkeit eröffnet, ärztliche Zwangsbehandlungen nicht mehr nur in Krankenhäusern, sondern auch in Einrichtungen durchzuführen, in denen die betroffenen Personen untergebracht sind. Zwar hat das Gericht hierfür strenge Vorgaben formuliert, dennoch birgt diese Entscheidung das Risiko, dass Zwangsbehandlungen zukünftig häufiger und umfangreicher angewendet werden können.

Zwangsbehandlungen wie das zwangsweise Verabreichen von Medikamenten sind schwere Eingriffe in die Menschenrechte. Sie haben erhebliche negative Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität der betroffenen Personen. Die drohende Anwendung von Zwangsmaßnahmen in der vertrauten Umgebung kann bei Betroffenen große Ängste hervorrufen und das Vertrauen zu Betreuungspersonen und behandelnden Ärzten innerhalb der Einrichtung nachhaltig beschädigen.

Bei der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils muss der Deutsche Bundestag deshalb die Vorgaben für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen streng definieren. Menschen mit Behinderungen und ihre Selbstvertretungsorganisationen müssen im Gesetzgebungsverfahren frühzeitig einbezogen werden. Die Tatsache, dass Zwangsmaßnahmen in Einzelfällen auch ohne Einweisung in ein Krankenhaus rechtlich möglich werden sollen, darf nicht dazu führen, dass sie häufiger angewendet werden - etwa bei Personal- oder Zeitknappheit.

Auch deshalb braucht es mehr Anstrengungen, um den Einsatz von medizinischen Zwangsbehandlungen zu vermeiden, etwa Zugang zu personenzentrierten, gemeindenahen und freiwilligen Unterstützungsangeboten für Betroffene.

Die Vereinten Nationen lehnen den Einsatz von Zwangsmaßnahmen ab. Bei der Staatenprüfung Deutschlands im September 2023 hat etwa der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen Deutschland aufgefordert, die unfreiwillige Freiheitsentziehung, Zwangsunterbringung und -behandlung von Menschen mit Behinderungen zu verbieten."

WEITERE INFORMATIONEN

Deutsches Institut für Menschenrechte (2024): Stellungnahme an das Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Verfahrens 1 BvL 1/24.

https://ots.de/EcVjJP

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