Videokonferenzen: Webkuscheln ist das neue Kommunikationsgold

Keine Nasenlochperspektive, keine Katzenklos im Hintergrund und respektvolles Stummschalten des eigenen Mikros während der Präsentation eines Referenten gehört zu den Basic-Kenntnissen in Videocalls. Das weiß inzwischen jeder und die Welt vor den Monitoren wird immer schöner. Wirklich? Nein!

 

Souverän in Videokonferenzen

 

Ich habe seit Anfang der Pandemie 17.000 Menschen für ihren digitalen Auftritt geschult. Und ich bin immer wieder verwundert, wie unterschiedlich die Menschen „Augenhöhe“ interpretieren.

Aber gerade hier fängt es doch an. Haben unsere Kunden, unsere Gesprächspartner und unsere Mitarbeiter nicht verdient, dass wir auf Augenhöhe mit ihnen sprechen? Und nicht von oben herab oder gar von unten nach oben, wie ein Kind, das zu Mama und Papa aufblickt.

Wie schaffen wir es mit digitalen Hilfsmitteln sowie unserer Körpersprache, eine Situation zu erzeugen, dass der Gesprächspartner sich fühlt, als säßen wir gemeinsam an einem Tisch. Was sind körpersprachliche Fauxpas vor der Webcam? Wie können Sie durch den richtigen Einsatz von Technik und Körpersprache digital genau so überzeugend auftreten wie analog?

Die Grundregeln für ein ideales Setting

 

1. Licht Grundregeln

Richten Sie Ihre Position am Rechner so ein, dass Sie Licht von vorne erhellt und Sie kein Fenster im Rücken haben, dass Sie als Schattenumriss erscheinen lässt. Deckenlicht ist für einen attraktiven Auftritt vor der Kamera ungünstig.

Licht Profitipps: Wenn künstliches Licht Sie bestrahlt, kann Ihre Gesichtsfarbe gelblich wirken. Besorgen Sie sich ein LED Panel, das eine Tageslichtfunktion hat. Wenn Ihnen das LED Panel zu hell ist und Sie keine Möglichkeit haben, zu dimmen, nutzen Sie eine Softbox. Brillenträger können die Lichtquelle ein wenig höher positionieren, damit keine Spiegelung in den Gläsern den Blickkontakt zum Gesprächspartner stört.

2. Hintergrund Grundregeln

Der Hintergrund sollte das über Sie transportieren, wie Sie wahrgenommen werden wollen. Generell gilt: Je weniger Gegenstände zu sehen sind, desto strukturierter wirken Sie. Das kann auch mal zu nackig und kalt wirken.

Hintergrund Profitipps: Der Hintergrund ist eines der individuellsten und wichtigsten Signale, das Sie senden können. Nach vielen, vielen Setups, die ich eingerichtet habe, sehe ich sofort, zu wem welcher Hintergrund passt und wie man optimieren kann. Mein Tipp für Sie: Vertrauen Sie nur teilweise auf Ihr Bauchgefühl, sondern halten Sie sich an gewissen Regeln, damit Ihre Persönlichkeit optimal zum Ausdruck kommt.

Zum Beispiel: Je mehr Raum Sie hinter sich haben, desto erfolgreicher wirken Sie. Wenn Sie nahe an der Wand sitzen, so dass Ihr Schatten ein ständiger Begleiter im Bild ist, vermittelt das einen beengten Eindruck.

Achten Sie darauf, dass keine Pflanzen, Stehlampen oder Bilder hinter Ihnen positioniert sind, die für den Betrachter aus Ihrem Kopf zu wachsen scheinen. Schaffen Sie Orientierung für das Gehirn des Betrachters, in dem Sie einen visuellen Rahmen am Bildrand kreieren.

3. Der Bildausschnitt Grundregeln

Er sollte so gewählt sein, dass nur eine Hand breit Platz über Ihrem Kopf zum oberen Bildrand ist und Sie sollten bis zur Brust zu sehen sein. Mit dieser Sicht ist unser Gehirn sehr vertraut vom analogen Meeting am Tisch.

Bildausschnitt Profitipps: Die Neigung der Kamera hat einen großen Effekt auf Ihre Wirkung. Wenn Sie zu viel Platz über Ihrem Kopf haben, wirken Sie kleiner als Sie sind.

4. Kamerahöhe Grundregeln

Der gerade Blick in die Linse verhindert, dass Ihr Gegenüber sich „von oben herab“ angesprochen fühlt. Stellen Sie Ihr Laptop auf einen Laptopständer, damit die Linse auf Augenhöhe ist. Viele geben den Tipp, mit Büchern den Laptop zu erhöhen. Das ist eine wenig praktikable Lösung, weil die Handgelenke beim Tippen umknicken. Sehen Sie die Zimmerdecke in Ihrem Bild, sollten Sie den Kamerawinkel ändern.

Kamerahöhe Profitipps: Wir neigen dazu, währen eines langen Gesprächs in uns zusammenzusinken. Justieren Sie entweder Ihre Haltung oder Ihre Kamera. Ich bin für die Haltung.

5. Fester "Konferenzraum"

Da Videokonferenzen enorm Zeit und dadurch Geld sparen, lohnt es sich, einen festen Platz dafür einzurichten. Vorteil: Sie müssen nicht jedes Mal neu überlegen, aufräumen, Licht richten, sondern können ganz entspannt loslegen und sich auf die wichtigen inhaltlichen Themen konzentrieren.

Beziehung in Videokonferenzen aufbauen

 

Blickkontakt Grundregel:

Halten Sie Blickkontakt in die Kameralinse ungefähr zu 80%.

Blickkontakt Profitipps: Schieben Sie das Fenster mit dem Konterfei Ihres Gesprächspartners so nah wie möglich unter die Kamera. So geht der Blick zumindest ansatzweise nahe an die Kameralinse. Durch den Blickkontakt wird das Bindungshormon Oxytocin ausgeschüttet und Sie bauen schnell Vertrauen auf. Sie werden merken, dass Sie nach einer Weile die Körpersprache des anderen sogar aus den Augenwinkeln „sehen“ können.

Ton Grundregel aus der Medienbranche

Der Ton ist wichtiger als das Bild. Ein gutes Mikrofon bewirkt, dass der andere Sie klar und deutlich wahrnimmt. Das baut Vertrauen auf.

Ton Profitipps: Nutzen Sie ein externes Mikrofon, das eine gute Tonqualität überträgt. Ich nutze ein Lavalier Ansteckmikrofon. Der Vorteil hier ist, dass der Mund immer den gleichen Abstand zum Mikro hat. Headsets produzieren in unserem Gehirn eher die Assoziation von: „Guten Tag, mein Name ist Chantal Müller, wie kann ich Ihnen helfen“-Callcenter oder „Guten Tag, willkommen bei Mc Donalds, Ihre Bestellung bitte!“

Körperhaltung Grundregel

Eine gute Körperhaltung wirkt nicht nur in der Videokonferenz auf das eigene Unterbewusstsein wie auch auf das des Gesprächspartners. Tipp: Stellen Sie sich einen Faden vor, der aus der Verlängerung der Wirbelsäule durch den Scheitelpunkt Ihres Kopfes nach oben zieht.

Körperhaltung Profitipps: Nutzen Sie ein Sitzkissen, damit Sie sich nicht in die Stuhllehne fallen lassen und sich daran erinnern, gerade zu sitzen. Angelehnt wirkt weniger präsent. Nehmen Sie die Arme nicht eng an den Körper, das lässt Sie unsicher und klein wirken. Lassen Sie ein wenig Luft zwischen Ihrem Oberkörper und Ihren Armen. Nehmen Sie das Kinn ein wenig tiefer, weil ein erhobenes Kinn schnell als arrogant wahrgenommen wird.

Die Verabschiedung

Lächeln Sie nach der Verabschiedung bis das Bild weg ist. Seien Sie sich dessen bewusst, dass Ihr Gegenüber Sie so lange sieht, wie Sie beide im virtuellen Raum sind. Es wäre doch schade, wenn der letzte Gesichtsausdruck, den er von Ihnen im Gedächtnis hat, eine ernste, konzentrierte Miene auf der Suche nach dem Ausknopf ist.

Video-Etikette: die Grundlagen guten Benehmens

 

  • Essen Sie nicht vor der Kamera, außer Sie haben sich mit den anderen zum Essen verabredet.
  • Verlieren Sie nicht den Kontakt zu Ihrem Gesprächspartner. Nehmen Sie ihn verbal mit, wenn Sie etwas am Rechner suchen. Alles ist besser, als über Sekunden konzentriert scheinbar ins Leere zu blicken.
  • Machen Sie Notizen so, dass Sie trotzdem mit der Aufmerksamkeit beim Gesprächspartner sind. Blicken Sie nur kurz nach unten und nehmen dann sofort wieder Blickkontakt auf. Notizen auf Papier sind einer laut klappernden Tastatur vorzuziehen.
  • Verlassen Sie in einer 1:1 Konferenz oder kleinen Gruppe nicht einfach das Bild. Das wirkt respektlos und ist im normalen Leben gleichzustellen mit dem wortlosen Verlassen des Raumes.
  • Teilen Sie dem Gegenüber mit, wenn jemand Ihr Büro betreten hat, den der andere nicht sieht. So kann er sich darauf einstellen, dass andere mithören oder mitsehen können.
  • Vermeiden Sie Nebengeräusche, die der andere nicht sehen kann, die also außerhalb des Bildausschnittes sind. Kugelschreiberklicken, auf dem Tisch trommeln, eben alles, was der andere nicht zuordnen kann.

Der intensivste Tipp, um eine gute Verbindung mit Ihrem Gegenüber herzustellen und mit dem Sie und die Videokonferenz bei Ihrem Gegenüber positiv im Gedächtnis haften bleiben: Lachen Sie mindestens einmal während der Videokonferenz mit Ihrem Gesprächspartner. Denn ein Blick verbindet Menschen, aber ein Lächeln verbindet Herzen.

Artikel teilen

Weitere Artikel von Yvonne de Bark: